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Folge 7: Der Einfluss von KI-Systemen auf Publisher – Die SimilarWeb-Studie im Detail

Nach den theoretischen Grundlagen und ersten Praxisbeispielen widmet sich diese Folge den harten Fakten: Wie stark beeinflussen KI-Systeme den Traffic von Nachrichtenportalen? Die SimilarWeb-Studie „The Impact of Generative AI for Publishers“ liefert erstmals umfassende Daten zum Paradigmenwechsel in der digitalen Informationsbeschaffung.

Die Ergebnisse zeigen ein komplexes Bild: Während ChatGPT innerhalb eines Jahres den Traffic zu US-Publishern um das 25-fache steigerte, verlieren dieselben Medien gleichzeitig massiv organischen Google-Traffic durch AI Overviews. Die Zero-Click-Rate im Publishing-Bereich liegt mittlerweile bei 70 Prozent – ein fundamentales Problem für werbebasierte Geschäftsmodelle.

Diese Folge analysiert die Datenlage, ordnet die Entwicklung strategisch ein und zeigt, warum Publisher vor einer der größten Herausforderungen ihrer Geschichte stehen.

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Das Tauschgeschäft des offenen Internets

Jahrzehntelang funktionierte das Internet nach einem unausgesprochenen Prinzip: Content-Anbieter stellen ihre Inhalte bereit, Suchmaschinen indexieren sie – und im Gegenzug erhalten Publisher wertvollen Traffic. Dieses Tauschgeschäft bildete die Grundlage für werbebasierte Geschäftsmodelle im digitalen Journalismus.

KI-Systeme verändern diese Dynamik fundamental. Wenn generative Antworten Informationen direkt liefern, ohne Nutzer:innen zu Originalquellen weiterzuleiten, bricht die Refinanzierungslogik zusammen. Publisher investieren in Recherche und Content-Produktion, während KI-Systeme die Inhalte nutzen – ohne entsprechende Kompensation durch Traffic oder Lizenzgebühren.

Drei Wege der Monetarisierung

Transaktionsbasiert (E-Commerce), Subscription-Modelle (Apps, Dienste) oder werbebasiert – Publisher finanzieren sich primär über Werbung und sind damit direkt von Traffic-Volumen abhängig.

Das klassische Tauschgeschäft

Suchmaschinen indexieren Inhalte und leiten Nutzer:innen weiter. Publisher erhalten Traffic, Suchmaschinen bieten relevante Ergebnisse. Beide Seiten profitieren von diesem System.

Die neue Asymmetrie

Generative KI-Systeme nutzen Publisher-Inhalte für Trainingsdaten und Antworten, liefern aber deutlich weniger Traffic zurück. Das Gleichgewicht ist gestört.

SimilarWeb: Datenquelle mit einzigartiger Marktabdeckung

Die Studie basiert auf den Daten von SimilarWeb, einem seit 2009 etablierten Anbieter für Digital Market Intelligence. Das börsennotierte Unternehmen verfügt über eine außergewöhnlich breite Datenbasis aus vier Quellen:

Browser-Extensions und Apps

Kooperationen mit Browser-Extensions und App-Anbietern liefern anonymisierte Nutzungsdaten in großem Umfang. Dieser Datenstrom ist besonders wertvoll für die Analyse realer Nutzerverhalten.

ISP- und DSP-Partnerfeeds

Internet Service Provider (ISPs) und Demand-Side-Platforms (DSPs) stellen anonymisierte Daten über Nutzeraktivitäten bereit. Diese Feeds ermöglichen tiefe Einblicke in Traffic-Ströme.

Direkte Analytics-Integration

Einige Unternehmen binden SimilarWeb direkt in ihre Analytics-Infrastruktur ein und teilen First-Party-Daten.

Public Crawling

Systematisches Crawling öffentlich zugänglicher Web-Daten ergänzt die proprietären Datenquellen.

Diese Kombination macht SimilarWeb zu einer der verlässlichsten Quellen für Traffic-Analysen und Marktentwicklungen im digitalen Ökosystem.

Nutzerverhalten: Informationssuche verschiebt sich zu KI-Systemen

Die Claneo State of Search Studie 2025 – eine repräsentative Befragung von 1.000 Personen – zeigt: Nur 10 Prozent der Befragten nutzen ChatGPT gezielt für aktuelle Nachrichten und Trends. Die dominierenden Use Cases sind generativer Natur: Texte erstellen, zusammenfassen, lokalisieren.

Dennoch: Die informationale Nutzung von ChatGPT macht laut Profound-Studie etwa ein Drittel aller Anfragen aus. Und genau in diesem Segment konkurrieren KI-Systeme direkt mit klassischen Suchmaschinen – und damit mit dem Traffic-Fundament der Publisher.

Die Kernergebnisse der SimilarWeb-Studie

1. Nachrichtenbezogene Anfragen: Exponentielles Wachstum bei ChatGPT

SimilarWeb verglich nachrichtenbezogene Anfragen bei ChatGPT und Google über den Zeitraum Januar bis Mai 2024 und 2025. Während Google-Suchanfragen im News-Bereich weitgehend stagnieren, zeigt ChatGPT ein exponentielles Wachstum.

Die Interpretation: Immer mehr Nutzer:innen wenden sich für aktuelle Informationen an KI-Systeme statt an klassische Suchmaschinen. Die informationale Intention wandert ab.

2. ChatGPT-Traffic zu Publishern: 25-fache Steigerung

Januar bis Mai 2024: 1 Million Besucher:innen gelangten von ChatGPT zu US-Publishern.

Januar bis Mai 2025: 25,2 Millionen Besucher:innen – ein Wachstum um das 25-fache.

Auf den ersten Blick eine positive Entwicklung. Doch im Kontext der gleichzeitigen Verluste durch Google AI Overviews relativiert sich dieser Erfolg erheblich.

3. Traffic-Konzentration: Die Top 10 dominieren

50 Prozent des ChatGPT-Traffics fließen zu den Top-10-Publishern in den USA – darunter Reuters, New York Post und Business Insider. Kleinere, regionale Publisher profitieren kaum von der neuen Traffic-Quelle.

Die Konsequenz: KI-Systeme verstärken die Konzentration auf etablierte Autoritäten. Markenbekanntheit und Domain-Stärke werden noch wichtiger.

4. Google AI Overviews: Massiver Traffic-Rückgang

Seit der Einführung von Google AI Overviews im Mai 2024 sinkt der organische Traffic zu US-Publishern kontinuierlich. Die Zero-Click-Rate – also Suchanfragen, die ohne Klick auf eine Website enden – liegt im Publishing-Bereich mittlerweile bei 70 Prozent.

Das Dilemma: Google nutzt Publisher-Inhalte für AI Overviews, liefert aber keinen Traffic mehr zurück. Das Tauschgeschäft ist einseitig geworden.

5. Die Netto-Bilanz: Massive Verluste überwiegen

Der Verlust an organischem Google-Traffic über den betrachteten Zeitraum liegt bei einer halben Milliarde Besucher:innen. Die 25 Millionen zusätzlichen Besucher:innen von ChatGPT sind dagegen ein Tropfen auf den heißen Stein.

Die Bilanz: Publisher verlieren netto massiv Traffic. SEO und organische Sichtbarkeit bleiben zwar wichtig, aber die Erosion ist dramatisch.

Strategische Einordnung: Was bedeutet das für Publisher?

Die SimilarWeb-Studie zeichnet ein ambivalentes Bild. Einerseits zeigt sich, dass KI-Systeme durchaus Traffic generieren können – insbesondere wenn sie Citations nutzen und Nutzer:innen zu Quellen weiterleiten. Andererseits überwiegen die Verluste durch Zero-Click-Formate wie AI Overviews bei weitem.

Die Herausforderungen

  • Werbebasierte Geschäftsmodelle geraten unter massiven Druck
  • Investitionen in journalistische Qualität werden schwerer refinanzierbar
  • Kleinere Publisher sind besonders gefährdet
  • Die Abhängigkeit von Google-Traffic wird schmerzhaft sichtbar

Die Handlungsoptionen

  • Systematische GEO-Strategien entwickeln, um in KI-Citations präsent zu sein
  • Markenautorität stärken – sie wird zum entscheidenden Ranking-Faktor
  • Alternative Monetarisierungsmodelle aufbauen (Subscriptions, Memberships)
  • Lizenzvereinbarungen mit KI-Anbietern verhandeln

Fazit: Daten statt Spekulation

Die SimilarWeb-Studie liefert erstmals belastbare Zahlen zu einer Entwicklung, die bisher vor allem spekulativ diskutiert wurde. Die Ergebnisse sind eindeutig: KI-Systeme verändern die Traffic-Ströme im Internet fundamental. Publisher stehen vor der Herausforderung, ihre Geschäftsmodelle an diese neue Realität anzupassen.

Gleichzeitig zeigt die Studie auch: Es gibt Lichtblicke. ChatGPT generiert Traffic, wenn auch konzentriert auf wenige große Player. Die Frage ist nicht, ob Publisher auf KI-Systeme setzen sollten, sondern wie sie ihre Sichtbarkeit in diesen neuen Kanälen systematisch aufbauen.

GEO ist keine Option mehr – es ist eine strategische Notwendigkeit für alle, die im digitalen Informationsökosystem relevant bleiben wollen.


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Quadrate und Foto von lächelnder Mitarbeiterin
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